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Sondersammlungen

Die Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Breslau waren in dem Gebäude des früheren Augustinerklosters („auf dem Sande”) in der św. Jadwiga-Straße 3/4 untergebracht. Bis in das Jahr 1945 befand sich hier die Staats- und Universitätsbibliothek und nach dem Wiederaufbau des Gebäudes in den Jahren 1956 – 1959 wurden hier folgende Bibliotheksabteilungen eingerichtet: Schlesisch-Lausitzer Kabinett, Bibliologische Abteilung, Handschriftenabteilung, Abteilung der Alten Drucke, Abteilung der Graphischen Bestände, Abteilung der Kartographischen Bestände und Abteilung der Musikalien. Hier waren auch zwei Werkstätten, die sich – jede für sich – vor allem mit dem Schutz der Schriftdenkmäler befassten und zwar die Restaurierungswerkstatt der Sondersammlungen und die Reprografie- und Digitalisierung-Werkstatt, sowie Lesesaal der Sondersammlungen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2016 sind alle Abteilungen und Sondersammlungen aus der alten Bibliothek "auf dem Sande" in einen Neubau in der ul. F. Joliot-Curie 12 gezogen.

Die Aufgabe der Bibliothek ist nicht nur die entsprechende Aufbewahrung der wertvollen Denkmäler, deren Schutz und Zugang sondern vor allem ihre Bearbeitung, was ein besonderes Spezialwissen verlangt. Sowohl den Bibliothekaren wie auch den Bibliotheksnutzern steht ein reiches wissenschaftliches Hilfsmaterial aus dem Bereich der Bibliologie zu Verfügung, das in der Lesesaal der Sondersammlungen sowie in den Handbibliotheken der einzelnen Abteilungen angesammelt ist.

Die Sondersammlungen stammen vor allem aus den Breslauer Bücherbeständen der ehemaligen Stadtbibliothek und der ehemaligen Universitätsbibliothek. Diese Sammlung wurde bereichert durch Hinzufügung der Schriftdenkmäler aus der Piasten-Bibliothek aus Brieg, der Bibliothek des Herzogs Georg Rudolf aus Liegnitz, der Bruchstücke der Milich-Bibliothek aus Görlitz, der Bestände der Kirchenbibliothek der St. Peter und Paul-Kirche in Liegnitz, der Bibliothek der Zisterziensernonnen aus Trebnitz sowie der Gruppen provinzialer Bibliotheksbestände, die nach dem 2. Weltkrieg in Schlesien sichergestellt wurden. (s. Geschichte der Universitätsbibliothek).

Die Universitätsbibliothek besitzt mit ihren 310 000 Einheiten zählenden alten Drucken (darunter 3 200 Wiegendrucke und 2000 Polonica aus dem 16. Jh.) die in Polen größte Sammlung von alten Drucken, die in den Jahren 1456 – 1800 gedruckt wurden und nimmt dank dessen gleich nach Florenz und Neapel einen bedeutenden Platz in Europa ein. Es handelt sich um außerordentlich kostbare Druckwerke, da sie die wissenschaftliche und literarische Tätigkeit der vergangenen Jahrhunderte sowie die Erzeugnisse der damaligen europäischen und schlesischen Typographie widerspiegeln. Unter den wertvollsten Objekten befindet sich das xylographische Exemplar der Ars Minor von Aelius Donat, das in der Sammlung einzigartige erste Druckwerk mit einem polnischen Text Statuta synodalia Wratislaviensiadas in dem Jahr 1475 erschienen ist oder Luthers Thesen über den Ablass gedruckt von Melchior Lotter im Jahre 1517 in Wittenberg.

Einer Beachtung wert ist die in Polen reichste Sammlung mittelalterlicher Manuskripte – 3000 Codices – es sind vor allem Werke klassischer Autoren sowie Werke der Kirchenväter. Von ungewöhnlichem Wert ist auch die Kollektion der Denkmäler der schlesischen Buchmalerei. In der Handschriftenabteilung wurden ca. 17 000 Handschriften von Schriftstellern und Wissenschaftlern gesammelt, die in der Zeit vom 18. Jh. bis in die 40-er Jahre des 20. Jh. mit Schlesien verbunden waren. Die älteste Handschrift stammt aus dem 5. Jh. und ist ein Fragment der Chronik von Eusebius übersetzt vom heiligen Hieronymus. Der älteste Kodex, ein Herbarium samt anderer medizinischer Schriften, stammt aus dem 9.Jh. Ein Unikum ist die Topographia Silesiae von F.B. Werner wegen der über 1 000 Zeichnungen niederschlesischer Bauwerke des 18. Jh., die in dem Text angebracht sind.

Der Stolz der Bibliothek sind ihre Musikalien: 4 400 Bände alter Drucke und 2 500 Handschrifteneinheiten – unter ihnen der Erstdruck der Werke von Mozart, die Beethovenhandschrift mit Skizzen seiner Werke oder der aus dem 17. Jh. stammende Druck mit Werken des Nikolaus Zieleński, des hervorragenden polnischen Komponisten der Renaissance.

Eine ungewöhnlich reiche Kollektion der Universitätsbibliothek Wrocław bilden die Silesiaca und Lusatica. Von den über 90 000 Drucken sind 50 000 Bände Periodika. Dazu kommen über 100 000 Einheiten von Dokumenten des gesellschaftlichen Lebens – alle diese Materialien dienen den wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Geschichte, Verwaltung, Soziologie, Kultur, Wirtschaft und Geographie Schlesiens und der Lausitz. Die Drucke, die die Stadt Wrocław betreffen, die sog. Wratislaviana waren schon in der ehemaligen Stadtbibliothek eine ausgesonderte Sammlung und gehören heute zu den Raritäten unserer Beständen.

Die Bibliothek kann sich auch ihrer kostbaren kartographischen und ikonographischen Sammlungen rühmen. Die Kollektion der Atlanten aus den 16. – 18. Jh. nimmt hinsichtlich der Größe und des Wertes eine führende Stelle in Polen ein. Der älteste originale Atlas ist Geografia von Ptolemäus, in der Redaktion des Donnus Nicolaus Germanus, aus dem Jahre 1482. Eine zweite hervorragende Kollektion in den kartographischen Beständen sind die sog. künstlichen Atlanten, die nicht selten richtigen Unika beinhalten. Der wertvollste Atlas dieser Art ist die 7-bändige Sammlung von 1000 Karten, Pläne und Ansichten zusammengestellt vom Vater und vom Sohn Zacharias und Amadeus Machnitzky, wobei der Band 5 wohl der wertvollste ist, da er eine fast komplette Sammlung über Schlesien enthält.

In der Abteilung der Graphischen Bestände befinden sich folgende Sondersammlungen: Graphiken, Fotografien, Exlibris, Postkarten und Reproduktionen sowie Spezialliteratur betreffend die o. g. Sammlungen wie auch die Ikonographie und die Kunstgeschichte. Zu den wertvolleren Objekten gehören die Albumausgaben aus dem 17. und 18. Jh., die Lithographien von H. Daumier und W. Hogarth, die Porträtgraphiken und die mit der Region verbundenen historischen Fotografien.

Seit dem Jahr 1946 dienen die Abteilungen der Sondersammlungen und ihre über eine halbe Million zählende einzigartige Bestände als wissenschaftliches und didaktisches Werkstattmaterial für die Wissenschaftler und Studenten der Universität Wrocław sowie für zahlreiche ausländische Gäste. Die Sondersammlungen wie auch die Bestände der Fachliteratur werden in den Lesesälen gemäß der in der Bibliotheksordnung bestimmten Grundsätzen zugänglich gemacht. Den Gebrauch der Bestände erleichtern die Kataloge, Karteien, Fachliteratur sowie die Datenspeicher. Hilfe leisten auch die Bibliothekare, die Spezialisten der jeweiligen Sammlungen sind. Den Bibliotheksnutzern stehen die Kopien der auf Mikrofilmen, Mikrofiche und CD-ROM sichergestellten Bibliotheksmaterialien zur Verfuegung. Die Bibliothek führt eine wissenschaftliche, didaktische und eine popularisierende Tätigkeit durch. Dazu gehoeren: Die Bearbeitung von Rechercheaufträge, die Vorbereitung von Exponaten für Ausstellungen, die Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen, das Vortragen von Fachberichten und die Beständevorführungen für Studenten und Gäste. Die Sondersammlungen werden gemäß ihrem Sammelprofil durch Schenkungen und antiquarische Einkäufe vervollständigt.