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Abteilung der Alten Drucke - Geschichte der Sammlungen

Die Abteilung der Alten Drucke wurde als eine organisatorische Einheit am 1. September 1947 gegründet. Die Sammlung der Alten Drucke, wie auch weitere Sondersammlungen, entstand in den ersten Nachkriegsjahren als Ergebnis einer großen Konzentration von zahlreichen und vielfältigen historischen Beständen Schlesiens. Den Kern der Sammlung bilden die Bestände zweier Breslauer Bibliotheken: der ehemaligen Stadtbibliothek und der alten Universitätsbibliothek.

Die Stadtbibliothek entstand in den Jahren 1865-1867 aufgrund der Zusammensetzung der drei öffentlichen, an den evangelischen Kirchen gegründeten Bibliotheken (St.-Elisabeth-Kirche, St.-Maria-Magdalena-Kirche und St.-Bernardin-Kirche). Jede Bibliothek behielt bei der Zusammenfügung ihren individuellen Charakter, bestimmt durch die auf das 16. Jahrhundert zurückgehende Geschichte und durch die vielfältigen Provenienzen.

Die Bibliothek der Kirche St. Elisabeth, nach dem Namen des Stifters Thomas Rhediger der ein Breslauer Humanist und Patrizier war, auch "Rhediger-Bibliothek" genannt, zählt heute 58.000 Werke. Von den drei Gliedern der alten Stadtbibliothek hat sie die größte Zahl der Werke von europäischem Charakter, z. B. viele Schriften der griechischen und römischen Klassiker gedruckt von Aldo Manuzio, niederländische Plantiniana, Basler Ausgaben von Froben und Oporinus und Drucke aus dem Verlag Estienne.

Den Grundstock der Bibliothek der Kirche St. Maria Magdalena bildete ein kleiner Bestand von Theologie-und Reformationsdrucken des ersten evangelischen Pfarrers in Breslau, Johann Heß (gestorben 1547). Den Charakter der Sammlung bestimmte die Gabe des mährischen Landeshauptmanns Karl dem Älteren von Žerotín. Seine Bibliothek wurde im Jahre 1641 in die Sammlung eingestellt und brachte viele wertvolle böhmische Schriften mit, die nur hier in solcher Menge zu treffen sind. Ein kleines Legat von Daniel Vogel (Polnischlehrer im Gymnasium der St. Maria Magdalena Kirche) bereicherte die Bibliotheksammlung um polnische Drucke. Die Bücherei der St. Maria Magdalena Kirche zählt heutzutage ca. 34.000 Werke.

Das dritte Element, welches die Stadtbibliothek bildete, die Bibliothek der Kirche St. Bernardin, entstand um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts und erhielt erst am Ende des 17. Jahrhunderts dank den Spenden von Karl Rhenisch (1682), Zacharias Rampusch (1697) und im 18. Jahrhundert - Johann David Raschke einen deutlichen Bücherzuwachs. Die Sammlung umfasst heutzutage etwa 43.000 Werke und zeichnet sich durch viele Gelegenheitsschriften aus Schlesien aus.

Die nach dem Krieg erhaltenen Bestände der ehemaligen Universitätsbibliothek betrugen ca. 45.000 Bände. Die ursprüngliche Anzahl der Alten Drucke der Bibliothek lag wahrscheinlich bei 120.000 Bänden. Zwei Drittel der Bestände sind also durch die Zerstörungen des Krieges verloren gegangen. Den Ursprung der Universitätsbibliothek bildeten die Jesuitensammlung der Breslauer "Leopoldina" (etwa 8.000 Exemplare) und die Sammlung der evangelischen Viadrina aus Frankfurt an der Oder (28.000), denen man die reichen Bestände der schlesischen Klöster nach der Säkularisierung (70.000) hinzugefügt hat. Dem nach dem Zweiten Weltkrieg erhaltenen Restbestand der Universitätsbibliothek wurde eine Reihe von sgn. sichergestellten Sammlungen hinzugefügt. Es waren u. a. die Bestände aus dem Jesuitengymnasium in Glatz (Kłodzko), Fragmente der Milich-Bibliothek aus Görlitz, einige hunderte Gelegenheitsschriften aus der Sammlung Hochberg in Fürstenstein (Książ), zwei Breslauer Schulbibliotheken: aus dem St. Elisabeth Gymnasium und dem Friedrichsgymnasium, die Bibliothek derer von York in Klein-Öls (Oleśnica Mała) und die bibliophile Sammlung aus der Burg Tzschocha (Czocha). Aus den obengenannten Bestandsteilen wurden drei chronologische Gruppen der Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (insgesamt ca. 60.000 Werke) gebildet, es wurden auch Sammlungen der Silesiaca und der Slavica ausgesondert (ca. 15.000 Werke).

Unter den provinziellen Sammlungen verdienen drei kleine Büchereien mit langer historischer Tradition besondere Aufmerksamkeit, nämlich die Bibliothek des Gymnasiums in Brieg (Brzeg), die Bibliothek des Herzogs Georg Rudolf aus Liegnitz (Legnica) und die Bibliothek der St. Peters-Paul-Kirche in Liegnitz. Diese wertvollen historischen Bestände haben in der heutigen Sammlung ihre ursprüngliche Anordnung beibehalten.

Die Piastenbibliothek in Brieg entstand im Jahre 1569 und wurde gleichzeitig mit dem dortigen Gymnasium von Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg gegründet. Ihren Grundstock bildeten die Sammlungen des Stiftes und einige Dutzend Bände aus dem Privatbesitz des Herzogs. Stiftungen und Gaben einzelner Herzöge, Hofleute und Rektoren des Gymnasiums förderten die Entwicklung der Bibliothek im 16. und 17. Jahrhundert. Die Zugänge bildeten unterschiedliche Schichten, welche der historische Prozess der Herausbildung der Sammlung beobachten lassen. In ihrer Blütezeit zählte die Bibliothek 3370 Bände. Im Jahre 1942 waren es 2991 Bände. Nach dem Krieg sind 2916 Bände erhalten geblieben, davon blieben 33, unter anderen die wertvollsten Handschriften auf Pergament, im Museum in Brieg.

Die Bibliothek Rudolfina aus Liegnitz wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts vom Herzog Georg Rudolf gegründet. Sie trug Bücher aus den wichtigsten Wissenschaftszweigen zusammen. Trotz des höfischen Charakters der Sammlung zeugte der Bestand vom bewussten Sammeln für den Bedarf breiterer Kreise. Die mit grosser Sorgfalt zusammengetragene Musikabteilung wurde während des Krieges zerstreut und ihre Fragmente befinden sich heute in etlichen Bibliotheken. Jetzt umfasst die Rudolfina ca. 6.000 Werke.

Die Bestände der St.-Peter-Paul-Bibliothek in Liegnitz haben ihre Wurzel in der Sammlung des Stiftes, die mit der Zeit durch Klostersammlungen bereichert wurde. Der heute relativ kleine Bestand (ca. 1600 Werke) enthält eine grosse Zahl an Inkunabula. Erwähnenswert ist, dass die Peter-Paul-Bibliothek die älteste und grösste Kettenbibliothek in Schlesien war. Einen anderen Charakter haben die späteren Zugänge aus dem 18. Jahrhundert, insbesondere das Vermächtnis des Pastors Reimann in Gestalt von 500 Sammelbänden, die über 15.000 Gelegenheitsdrucke und Dissertationen, darunter 4500 wertvolle Leichenschriften, umfassen.

Einen besonderen Wert innerhalb der Sammlungen von alten Drucken nehmen die ältesten gedruckten Werke – Inkunabeln – ein. Der Bestand von Inkunabeln umfasst 3270 Exemplare. Über 2.000 stammen aus der ehemaligen Universitätsbibliothek. Aus der ehemaligen Stadtbibliothek sind lediglich 88 Bände erhalten geblieben, die anderen Drucke aus dem ursprünglichen Bestand von über 500 Inkunabeln sind im Krieg verloren gegangen. Eine beträchtliche Anzahl an Inkunabeln besaßen auch die provinziellen Bibliotheken: die Milich-Bibliothek – 332, die Bibliothek der Peter-Paul-Kirche in Liegnitz – 307, die Brieger Bibliothek – 222 und die Rudolfina-Bibliothek – 43.

Den Wert der Sammlung erhöhen die wertvollen und seltenen Drucke. Ihre Zahl wird auf ca. 20.000 geschätzt. Unter ihnen soll vor allem die Statuta synodalia episcoporum Wratislaviensium hervorgehoben werden, ein für die polnische Kultur unschätzbarer Druck, welcher im Jahre 1475 in Breslau von Kasper Elyan, dem ersten Breslauer Drucker, gedruckt wurde. Statuta beinhalten den frühesten gedruckten Text in der polnischen Sprache – es sind tägliche Gebete Vater unser, Ave Maria und Credo. Der zweitälteste bekannte gedruckte Text auf polnisch, das Marienlied Bogurodzica, wurde 1506 in Krakau veröffentlicht. Das zweite vollständige Exemplar der Statuta befindet sich in Klementinum in Prag.

Ein weiteres sehr wertvolles Werk ist die Ars minor von Aelius Donatus, ein nach 1486 gedrucktes Blockbuch, Nachschnitt nach nach der Basler Ausgabe des Michael Wenssler. In Polen befinden sich nur zwei Blockbücher, neben dem Breslauer Donatus – die Ars moriendi in der Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN) in Kórnik.

Ein für die Geschichte des schlesischen Druckwesens wichtiges Werk ist die Legende der Hl. Hedwig, der schlesischen Herzogin und Gemahlin des Herzogs Heinrich des Bärtigen, gedruckt 1504 in Breslau durch Konrad Baumgart. Die Legende enthält einen Zyklus von 69 das Leben der Heiligen illustrierenden Holzschnitten, darunter etliche Historienszenen, u. a. den Angriff der Tataren und die Schlacht bei Liegnitz im Jahre 1241, in der Herzog Heinrich der Fromme ums Leben kam.